Werkstoffe

Gut für den Kreislauf

Neue Werkstoffe sind im Begriff, einzelne Produktbereiche zu verändern: Aktuell werden Möbelindustrie und Tischlerhandwerk mit einer Vielzahl von Innovationen konfrontiert, die dem Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit gerecht werden und so teils das Zeug zum dauerhaften Wandel haben. Vor allem junge Designer und Materialentwickler befassen sich damit, wie sich unter Einsatz biobasierter Ressourcen die CO2-Emissionen verringern lassen.

Neue Materialien für die Kreislaufwirtschaft gewinnen an Bedeutung. Foto: Koelnmesse

Unter dem Idealbild einer Circular Economy verändern sich die Produktkonstruktionen und sollen in Zukunft geschlossene Materialkreisläufe ermöglichen. Mit dem Leitthema „Neo-Ökologie“ setzte die Messe Interzum 2023 einen inhaltlichen Schwerpunkt auf die Transformation unserer Wirtschaft in Richtung einer Circular Economy. Als wichtigster Megatrend der nächsten Dekade beschreibt die „Neo-Ökologie“ einen gesamtgesellschaftlichen Wertewandel hin zu einer zirkulären Konsumlogik im Einklang mit den Mechanismen der Natur.

Im Zentrum stehen die Gesundheit der Konsumenten und das Umweltbewusstsein als Treiber einer gesellschaftlichen Bewegung, die einen tiefgreifenden Einfluss auf die Angebote und die Produktionsmechanismen der Möbel- und Interiorindustrie haben wird. Das Erreichen einer maximalen Ressourceneffizienz steht dabei ebenso ganz oben auf der Agenda der Unternehmen wie die Rückführbarkeit der eingesetzten Materialien in die Kreisläufe und die Reduzierung der CO2-Emissionen in der Fertigung.

Viele innovative Materialien

In diesem Zusammenhang entstehen eine Vielzahl von Materialinnovationen, die die Ausbildung zirkulärer Geschäftsmodelle fördern und die vorhandenen Ressourcen in optimaler Weise nutzen. Dabei gewinnen vor allem bislang wenig genutzte Sekundärwertstoffe an Bedeutung. Beispiele sind biologisch abbaubare Schaumstoffe aus Korkpulver, Kokosfasern und biogenen Bindemitteln, Materialien auf Basis von Pinienharzen, Faserplatten aus schnell wachsenden Pflanzen und Algen oder Leder-alternativen mit Früchteresten.

Die Zukunftsagentur Haute Innovation aus Berlin präsentierte in Köln die jüngsten Materialinnovationen der „Neo-Ökologie“ im Rahmen der Sonderfläche „Sustainability Matters“ und bereitete die Anwendungspotenziale für die Möbel- und Interiorindustrie auf. Vor allem die Erkenntnis zur Nutzung von CO2 als Ressource in der Platten- und Textilfertigung wird den Aufbau neuer Produktionsmethoden zur Folge haben. „Weltweit ist ein Wettrennen um die besten Ideen zur Entwicklung zirkulärer Materialien entbrannt. Wer als Hersteller in Zukunft konkurrenzfähig bleiben will, muss zeigen, wie seine Produkte in das Konzept der Circular Economy passen,“ beschreibt Sascha Peters von Haute Innovation das derzeitige Innovationsklima.

Beispiele und Ansätze zur Umsetzung der Idee der geschlossenen Kreislaufwirtschaft gibt es zahlreich.

Links: Leicht zu biegendes Holz, kein Leim: Dieses Möbel ist effizient und nachhaltig. Rechts: Platten aus Braunalgen sorgen für eine besonders positive CO2-Bilanz der hergestellten Produkte.

Sperrholz ohne Leim

„Interlog“ ist ein Konzept zur Herstellung von gebogenen Holzmöbeln, ohne dass die Lagen durch Leim zusammengehalten werden. Schon sehr früh kam die Idee auf, gebogene Holzmöbel ohne Leim herzustellen. Normalerweise wird Holz gebogen, indem Holzlagen in Form gebracht und dann zusammengeklebt werden. Die meisten branchenüblichen Holzleime sind jedoch synthetisch. Diese Mischung aus organischem und synthetischem Material lässt sich nach dem Ende des Produktlebens nicht mehr auflösen, und daher können weder die organischen noch die synthetischen Verbindungen in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Stattdessen landen sie auf einer Mülldeponie oder werden verbrannt. Durch eine alternative Verbindung der Lagen können diese nun leicht trennbar und damit recycelbar werden.

Das Konzept ist natürlich noch nicht einsatzbereit, aber der Prototyp liefert wertvolle Erkenntnisse und ist ein kleiner Vorgeschmack darauf, wie es aussehen könnte. Es wird mehr Zeit benötigt, um dies in der Produktion umsetzen zu können. Es sind noch einige Verbesserungen nötig. Das Holz muss in Stücke geteilt werden, die sich leicht biegen lassen, und es muss ein Verbindungsmechanismus für diese Lagen gefunden werden. Da die Genauigkeit bei der Herstellung der Platten von Hand nicht ausreicht, sollte eine CNC zum Einsatz kommen. Für eine optimale Benutzerfreundlichkeit müssen die Abmessungen und der Aufbau des CAD noch optimiert werden.

„Ich bin zuversichtlich, dass diese Technik mit etwas mehr Arbeit machbar und benutzerfreundlich wird. Der Versand dieser Lagen in einer flachen Verpackung ist effizienter und daher weniger schädlich für die Umwelt als der Versand normaler Möbel aus gebogenem Sperrholz. Durch die ausschließliche Verwendung von Holz ist das Stück vollständig biologisch abbaubar und muss nach dem Ende seiner Lebensdauer nicht auf der Mülldeponie landen. Im Gegensatz zu Sperrholz kann es in einer sehr flachen und effizienten Verpackung verschickt und zu Hause zusammengebaut werden“, sagt Leo Altmann, der dieses Konzept im Fach „Intermediales Design“ als Studienarbeit im Masterstudium entwickelt hat.

www.lalt.de

Werkstoff Bambus

Bambus liefert hohe Erträge bei gleichzeitig niedriger Umweltbelastung, was Innovationen aus Bambus zu nachhaltigen Alternativen zu Holz macht. Joachim Wachner hat mit der Natbam GmbH ein Start-Up Unternehmen gegründet, das Produkte aus nachhaltigen Rohstoffen mit dem Schwerpunkt auf Bambus entwickelt und vermarktet. „Bambus wächst im Anbau nicht nur schnell nach und benötigt wenig Energie, er ist auch einfach zu verarbeiten und hält meist wesentlich länger als vergleichbar verwendete Materialien aus Holz. Im Gegensatz zu den meisten Span- und Holzverbundstoffplatten ist Bambus absolut schadstofffrei“, sagt Joachim Wachner.

Links: Starker Werkstoff: Bambus ist sehr haltbar und wächst schnell nach. Mitte: Obstabfälle dienen als Basis für Möbel, die sich den Bedürfnissen anpassen. Rechts: Furnier aus Birkenrinde bistet eine besonders angenehme Haptik.

Sein „BDS-Board“ (Bamboo Dowel System Board) ist eine Verbindung von Bambuslamellen, die klebstofffrei verbunden sind, und ist als Patent angemeldet. „NatBam PlyBoo“ ist ein Baustoff aus europäischem Bambus und kann vielseitig verwendet werden. „Mit einer enormen Festigkeit, perfekten Dämmeigenschaften und der schadstofffreien, patentierten Verbindungstechnologie gibt es praktisch keinen Anwendungsfall, in welchem gewöhnliche Holz-, Span-, oder Holzverbund-stoffplatten nicht durch unsere naturbelassenen ,PlyBoo‘-Platten getauscht wer- den könnten“, sieht Joachim Wachner Potenziale für die Konstruktion von Böden, Wänden, Decken, im Innen- wie auch im Außenbereich, für den Bau von Möbeln, als Verkleidung und mehr.

Ferner kann das „BDS-Board“ auch als Mittellage oder Zwischenlage für Holzplatten (Sperrholzplatten) Verwendung finden. „BDS-Plywood“ ist eine Hybrid Bauplatte aus Bambus und Holz. Hierdurch lässt sich der Holzverbrauch für Bauplatten um 50 bis 70 % reduzieren.

www.natbam.eu

Fachbesucher bei der Materialprüfung auf dem Interzum Trend Forum Materials & Nature „Sustainability Matters“. Foto: Koelnmesse

„Root“ – Möbel, die mitwachsen

„Frumo“ ist ein selbstheilendes Material aus Obstabfällen. Es ist die Basis für Möbel, die mit unseren Bedürfnissen wachsen, sich verändern und leben. Dafür gibt es mit „Root“ einen Satz Möbelbeine. Jedes Bein wird durch Hitze in eine komplexe Form gebracht, die andere nachhaltige Materialien nicht bieten können, und schafft so eine Schnittstelle für eine Holzstange, aus der ein Möbelstück hervorgehen kann. Die Befestigung der Holzteile erfolgt im Steckprinzip und ermöglicht so einen einfachen Auf- und Abbau ohne Werkzeug. „So entstehen genau die Möbel, die wir in der aktuellen Lebenssituation brauchen. Durch ein Plug-in-Prinzip lässt sich „Root“ ohne Werkzeug schnell um Funktionen erweitern oder sich sogar in ein anderes Möbelstück verwandeln. Dadurch ist „Root“ einfach zu bedienen, zu reparieren und ein lebenslanger Begleiter“, sagt Erfinderin Mareen Baumeister.

www.mareenbaumeister.com

Birkenrinde-Furnier

Seine ansprechende Oberflächenstruktur und die weiche Textur machen das Furniermaterial „betula veneer“ von nevi zur Neuentdeckung für alle, die in Produktentwicklung, Innenarchitektur und Raumausstattung auf der Suche nach dem Besonderen sind. „Das Material lässt sich am besten mit den Sinnen begreifen“, sagt Entwickler Tim Mergelsberg. „Unmittelbar erschließen sich die Vorteile des wasserabweisenden und rutschhemmenden Materials, sowohl im Außen- als auch im Innenraum, denn die beständig samtige Haptik bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten, das Birkenrinde-Furnier als aufregenden Materialakzent mit anderen Werkstoffen zu kombinieren. Am besten da, wo unweigerlich Berührung stattfindet.“

Je nach Projekt wird „betula veneer“ auf eine Vielzahl an Trägermaterialien wie Holzwerkstoffen, flexiblen Vliesen oder einem Kunstharzbacking aufgetragen. Diese individuellen Halbfertigprodukte ermöglichen die Umsetzung nahezu jeder Produktidee.

www.nevi.io

Stuhl aus Biomaterial

Das „Reos“-Projekt konzentriert sich auf Industrie- und Haushaltsabfälle. Die Knochen sind ein Nebenprodukt der Fleischindustrie, ein großer Teil davon wird für keinen Zweck verwendet. Um ein Biomaterial herzustellen, werden die Knochen granuliert, dann gekocht und als Basis für die Verbundstoffe verwendet, die verschiedene Arten von Haushaltsabfällen nutzen können.

Das Biomaterial kann in vielen verschiedenen Ausführungen geformt und ausgestaltet werden. Der „Reos“-Stuhl besteht aus Biokunststoff mit Kaffeesatz und Eierschalen, verbunden mit dem Stahlrahmen und der Rückenlehne aus Sperrholz. Entwickelt und gestaltet von Adam Friedrich und Beata Mielus.

adamfriedrich.net

beatamielus.com

Links: Aus Biomaterial aus Knochen und Haushaltsabfällen sitzt es sich gut. Mitte: Resteverwertung mit Designanspruch: Jeder Stuhl ist ein Unikat. Rechts: Dank ständiger Reparaturen ist dieser Stuhl mit langem Leben stets im Wandel. Fotos: Richter

Restesynthese schafft Neues

„Leftover Synthesis“ untersucht den Zusammenhang zwischen computergestütztem Design und der Verwendung übrig gebliebener Materialien aus der Holzindustrie. Bei der Restesynthese geht es darum, Reste in der Holzindus-trie durch generatives Design besser zu nutzen.

Holzreste, die ein bestimmtes Maß unterschreiten, werden häufig aussortiert, verbrannt oder geschreddert. Das Konzept zielt darauf ab, diese Reste minimal zu verarbeiten und ihre Form und Gestalt beizubehalten. Ein algorithmisches Werkzeug passt sich den sich ständig ändernden Formen der Reste an, die in Form eines Möbelstücks neu angeordnet und wieder zu einer wertvollen Ressource werden.

Die Reste bestimmen die Eigenschaften der Stühle. Im Gegensatz zu Mode- und Farbtrends, deren Nachfrage sich meist auf eine einzige Holzart konzentriert, werden die Möbel aus verschiedenen Holzarten hergestellt. Durch die Größe, Anzahl und unterschiedliche Auflagen der verwendeten Teile ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse, die jedes Stück zu einem Unikat machen. Die Möbel sind eine „Assemblage“ aus den unterschiedlich geformten Resten.

Restaurierung schont Ressourcen

„Billige Möbel mit schlechter Qualität liegen im Trend. So landen jedes Jahr 10,5 Millionen Tonnen Möbel in Europa im Müll. Doch unsere Wälder leiden unter unserem Konsum und dem Klimawandel. Selbst erneuerbare Materialien wie Holz sind endlich, wenn wir sie schneller verbrauchen, als sie nachwachsen können“ sagt Designerin Cathy Wolter – und stellt mit „MEA“ ein Konzept vor, das auf Reparatur setzt. Die Idee hinterfragt unser Konsumverhalten und den Umgang mit nachwachsenden Rohstoffen in der Möbelindustrie und gibt mit dem „MEA-Chair“ eine Antwort.

Der Stuhl ist komplett aus Massivholz gefertigt und daher leicht zu reparieren. Durch lösbare Schraubverbindungen lässt es sich schnell demontieren und innerhalb von weniger als 60 Minuten komplett aufarbeiten. Irreparable Einzelteile können ausgetauscht werden, alle anderen bleiben im Einsatz. Der Austausch einzelner Teile hat zur Folge, dass sich das Aussehen des Stuhls im Laufe der Jahre verändert. „Jeder Baumstamm sieht anders aus und aufgrund klimatischer Veränderungen wissen wir nicht, welche Baumarten sich in Zukunft ansiedeln werden“ so Cathy Wolter.

Wenn der Stuhl nicht mehr benötigt wird, kann er einfach zurückgegeben werden. Es wird restauriert und wieder verkauft. Dieses Mal für weniger Geld, da kaum neue Ressourcen verbraucht werden. Auf diese Weise macht „MEA“ einem breiteren Publikum das Potenzial von Reparaturen zugänglich und ermöglicht so, dass Möbel in einem endlosen Kreislauf verbleiben und kaum neue Ressourcen verbrauchen. „Nach der ersten Reparatur hat das Leben von ,MEA‘ gerade erst begonnen“, betont Cathy Wolter.

www.cathywolter.com

„Holz“ aus dem Meer

„Unser Ziel ist es, eine gesunde Zukunft für Mensch und Planet aufzubauen und zu fördern. Unsere Stärke liegt in der Kombination grüner Technologie mit Design, das den Bedürfnissen der Menschen gerecht wird und im Einklang mit dem größeren natürlichen System steht, zu dem wir gehören“, erläutert Marjanne Cuypers, Gründerin von BlueBlocks in den Niederlanden, ihre Motivation. Das Unternehmen entwickelt Biomaterialien und Produkte und bildet neue lokale Netzwerke über Branchengrenzen hinweg. „Wir vermeiden Verschwendung von Anfang an oder verwandeln ungenutzte Reststoffe einer Organisation in wertvolle Materialien oder Produkte für eine andere“.

„SeaWood Materials“ ist eine Serie von Faserplatten aus Braunalgen und folgt diesem Konzept. „SeaWood“ ist ein 100 % natürliches, kompostierbares und chemikalienfreies Plattenmaterial, das als Baumaterial, für Innenarchitekturprodukte und Akustikwandpaneele verwendet werden kann. Das Material basiert auf den Ergebnissen des Projekts „Maasplaat“, das zu mehreren Produktprototypen führte, die vom Markt getestet und für gut befunden wurden. Das Material wird im Jahr 2024 in Produktion gehen.

www.blueblocks.nl

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