Cool Classics

Hölzerne Geburt einer Ikone

Ein „Holzklopfmodell“ war das „Urmeter“ des 356: Die ersten Porsche-Sportwagen entstanden vor 75 Jahren in Handarbeit. Pate für die ikonische Form stand dabei ein hölzernes Modell. Zum Jubiläum erlebte das Auto nun als Showcar in legendärer Originalform des Ur-Sportwagens eine Wiedergeburt – eine Hommage an den Markenkern von Porsche.

Die Lehre aus Eschenholz diente den Spenglern zum Abgleich ihrer von Hand geformten Alu-Karosserieteile für den 356. Die Formgebung des Ur-Porsche stammte von Erwin Komenda, wie auch die Karosserie des VW Käfer.

Porsche wird als Automarke in diesem Jahr 75 Jahre alt. Das selbe Alter hat ein besonderes Exponat des 1982 von dem Antiquitätenhändler Helmut Pfeifhofer eröffneten privaten Porsche-Automuseums im österreichischen Gmünd: ein massives Gerippe aus Eschenholz, das Pate stand für die dort gebauten 356er – die ersten Sportwagen, die den Namen Porsche trugen. Die hölzerne Lehre ist nicht nur ein Dokument der Handwerkskunst früherer Kfz-Spengler (Kfz-Klempner), sondern auch des Holzhandwerks.

Vor 75 Jahren wurde der Porsche 356 (Vierzylinder-Boxermotor mit 1 131 ccm Hubraum und 35 PS Leistung, Höchstgeschwindigkeit 135 km/h) noch in reiner Handarbeit gebaut – nicht in Stuttgart, sondern in Gmünd. Das im dortigen Porsche-Automuseum gezeigte sogenannte Form- und Passmodell weist weder Spuren der Jahre noch der Arbeit auf.

Das Modell diente als Lehre

Denn auch wenn in der Literatur häufig der Begriff „Holzklopfmodell“ genannt wird: Nie ist auf ihm geklopft worden, denn es handelt sich um eine Lehre. Diese diente vielmehr als „Urmeter“ dessen, was ab 1948 die Manufaktur Porsche in Gmünd in Kärnten verließ. Insgesamt waren das 52 Exemplare des Typs 356/2: 44 Coupés und acht Cabriolets. Außerdem noch acht bis zehn später als „Superleicht“ (SL) bezeichnete Rohkarosserien, die erst 1951/52 von der Rennsportabteilung in Stuttgart komplettiert wurden. Die heute 75-jährige Lehre wurde von einer Modellbautischlerei in Spittal an der Drau direkt nach den Konstruktionszeichnungen für das Fahrzeug gefertigt.

Porsche agierte seinerzeit als arbeitsteiliger Manufakturbetrieb, von einer Serienfertigung meilenweit entfernt. Die stählernen Fahrgestelle konnte man vergleichsweise schnell produzieren. Doch die Arbeit am äußeren Blechkleid gestaltete sich mühselig: Die Aluminiumbleche wurden frei über auf sandgefüllten Lederbeuteln und Holzstämmen mit Hammerschlägen in die gewünschte Form gebracht und wieder und wieder zum Abgleich auf das hölzerne Gerippe gelegt.

Ein langwieriger Prozess – der Vorgang wurde so oft wiederholt, bis Türen, Hauben, Dach und Kotflügel exakt auf das Holzmodell passten. Vom ersten 356 Roadster ist bekannt, dass Spengler Friedrich Weber zwei Monate brauchte, um 1948 den überhaupt ersten Porsche „einzukleiden“.

Porsche 356 Coupé 1948 in der Produktionshalle in Gmünd, hinten ist die hölzerne Lehre zu erkennen. 52 Fahrzeuge und einige spezielle Karosserien (SL) werden hier mit handgetriebenen Alu-Hüllen gebaut.

Und ähnliches galt auch für die folgenden 356er: Mindestens 90 Stunden benötigte ein Meister seines Fachs, um die unverwechselbare Außenhaut des 356 perfekt zu formen. Erst dann war sie bereit, mit dem inneren Aufbau vernagelt, vernietet und verschraubt zu werden. Deshalb beteiligte Porsche auch Betriebe wie Kastenhofer, Keibl und Tatra in Wien oder Beutler im schweizerischen Thun an der Fertigung der Blechkleider.

Original mit Spuren der Nutzung

Vor fünf Jahren starteten Experten von Porsche ein Projekt mit dem Ziel, eine optisch detailgetreue Kopie des ersten gebauten 356 zu fertigen. Der Roadster erhielt am 8. Juni 1948 seine Betriebserlaubnis. Den Maßanzug, den Spengler Friedrich Weber der „Nr. 1“ geschneidert hatte, trug dieser nur kurze Zeit, denn in den folgenden Jahren ging der Roadster nicht nur durch viele Hände – der erste Porsche wurde auch mehrfach ramponiert und repariert, modernisiert und umgebaut. Heute ist er aufwendig restauriert im Porsche Museum in Stuttgart zu sehen.

Die verlorene Ursprünglichkeit des Originals lässt sich so nicht mehr zurückholen – aber nachempfinden. Um eine tatsächlich detail- und maßstabsgetreue Kopie der Roadster-Karosserie im Erstzustand von 1948 auf die Räder zu stellen, vermaßen die Experten aus dem Porsche Museum in Stuttgart zunächst das Original mit einem 3D-Scanner. Der Computer legte das virtuelle Ergebnis über die ebenfalls eingescannten Konstruktionszeichnungen von 1948 – und zeigte zahlreiche Abweichungen.

Annäherung an den Urzustand

Schritt für Schritt, Radius um Fixpunkt näherte man die Form dem Ursprung an. Mitarbeiter des Archivs zogen alle verfügbaren Originalfotografien zurate, studierten Aufzeichnungen, werteten Tagebücher aus. Am Ende schälte eine computergestützte Fräsmaschine ein 1:1-Modell aus einem Hartschaumblock. Neben weitgehend original erhaltene Exemplare von 1948 gestellt – das Museum in Gmünd etwa besitzt ein Exemplar aus der ersten Serie mit handgehämmerter Alukarosse, Fahrgestellnummer 356 0020 – offenbarten sich jedoch deutliche Unterschiede.

Porsche 356 Coupé, die ab August 1948 ausgeliefert wurden, auf dem Werksgelände in Gmünd. Kriegsbedingt hatte das 1931 gegründete Konstruktionsbüro Porsche 1944 seinen Sitz von Stuttgart dorthin verlegt.

Ursprünglich lief die Karosserie nach hinten schmaler aus. Die Front hatte eine ausgeprägte Bugspitze. Der ursprünglich einteilige und hinten angeschlagene Heckdeckel reichte vom Passagierraum bis knapp über die hintere Stoßstange. Später wurde er beim Originalfahrzeug ersetzt: durch eine zweiteilige Konstruktion mit einem Querblech über dem Motor und einer kürzeren Haube über dem hinteren Stauraum.

2018 entstand in achtmonatiger Arbeit ein Showcar, welches verdeutlicht, wie der erste 356, ein Cabrio oder Roadster, das Werk in Gmünd verließ.

Herstellung wie 1948

Mit originalgetreuen Holzformen als Prüfwerkzeuge entstand schließlich der Nachbau der ursprünglichen „Nr. 1“-Karosserie in Handarbeit aus Aluminium. Die Bleche wurden wie 1948 mit Handwerkzeug gebogen, gezogen und getrieben. Die Originalität reichte bis in die Farbformel der Lackierung zurück: Um den möglichst gleichen Farbton zu treffen, wurden an dem früher mehrfach überlackierten Originalsportwagen Schichtproben unter dem Armaturenbrett genommen und analysiert. Zeitgenössische Armaturen mit exakt an das Original angepassten Zifferblättern flankieren die Lenksäule. Selbst die Knüpfung der Teppiche entspricht der von vor 70 Jahren.

Nur fahren kann der Nachbau, der auch im Rahmen des 75-jährigen Jubiläums auf der diesjährigen „Retro Classics“ in Stuttgart zu sehen war, keinen Meter: Ein Motor war in dem Gitterrahmen des Showcars nicht vorgesehen, die Hinterachse besteht aus einem schlichten Rohr. Die Vorderachse samt Lenkung und Lenkrad stammt wie beim Original von einem Volkswagen Käfer.

Acht Monate dauerte die Fertigung des neuen Maßanzugs mit dem klassischen Schnitt – für ein Showcar, das für Porsche nicht nur eine zeitgeschichtliche, sondern auch eine hohe symbolische Bedeutung hat: Auf seine Form, seine fahrdynamische Auslegung und sein Leichtbaukonzept geht schließlich der Markenkern aller Porsche-Sportwagen zurück.

Beginn der Serienproduktion

Mit dem Umzug Ende 1949 von Gmünd nach Stuttgart, zum Karosseriewerk Reutter, endete auch für Porsche die Zeit, in der „Blech-Paganinis“ mit Hämmern Tafeln aus Aluminium von Hand in die richtige Form trieben. Lediglich bei Kleinstserien, wie dem

16 Mal gebauten 356 America Roadster mit seiner Leichtmetallkarosserie blieben solche Verfahren und damit die Handwerkskunst noch eine Weile erhalten.

Zwar gab es bei Reutter zu Beginn ebenfalls ein neu angefertigtes „Holzklopfmodell“ des in Stuttgart überarbeiteten 356. Doch diente das nur noch als Vorbild für die passgenaue Anfertigung der Presswerkzeuge, die nun anstelle der Handwerkskünstler die Karosserieteile formten. Jetzt konnte man stabiles Stahlblech anstelle des weichen und in der Verarbeitung launischen, wenngleich deutlich leichteren Aluminiums einsetzen.

Mit den modernen Pressen zog eine schnellere Fertigung ein. Immer mehr gab ihr schweres Stampfen den Takt im Karosseriebau vor, nicht mehr das flirrende Klingen großer und kleiner Hämmer. Der Beginn der Serienproduktion und somit der einzigartigen Erfolgsgeschichte des Porsche 356, von dem bis April 1965 genau 76 302 Autos gebaut wurden und der heute eine Ikone ist.

www.porsche.com

www.auto-museum.at

Beim Showcar wurde Wert auf höchste Detailtreue gelegt, so dass man sich auch ein Bild von der Farbgebung des Ur-Porsches machen kann.

Fotos: Porsche AG

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